Arm und Reich


Die Menschen spüren immer stärker, wie die Konzentration des Reichtums auf einige Wenige zu einem Spaltpilz für die Gesellschaft wird. Wird hier keine Kehrtwende eingeleitet, führt dies unweigerlich zu weiter ansteigendem Hass der überwältigenden Mehrheit der Ärmeren und nicht so Reichen auf „Die da oben“. Revolutionen und massenhaft Tote werden auf Dauer die Folge sein, oder es wird wieder neue Diktatoren hervorbringen mit Heilsversprechen. Durch Unterdrückung des Volkes wird dann wieder für eine gewisse Zeit „Stabilität und Ordnung“ hergestellt, letztlich aber doch wieder Krieg und Elend die Folge sein.

Die sich weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich ist aber, in der in Deutschland praktizierten „sogenannten sozialen Marktwirtschaft“, eine zwangsläufige Entwicklung.

Als sozial wird bedingt durch die geschichtliche Entwicklung immer noch verstanden, dass die Mächtigen und Reicheren, den eher Armen und Bedürftigen gnädiger weise Almosen aus ihrem Reichtum gewähren. Die Frage danach, wie dieser Reichtum zustande kam und ob dies auch nur einigermaßen gerecht war, durfte früher nicht gestellt werden und wird auch heute noch nicht ernsthaft diskutiert. Reichtum ermöglicht aber sehr viel stärker Nutzen aus den Ressourcen der Allgemeinheit zu ziehen. Wenn man von Chancengleichheit spricht, kann jedoch nicht bestritten werden, dass jeder einzelne Nachkomme die gleiche Chance haben müsste, diese Ressourcen in gleicher Größenordnung zu nutzen. Die Ungleichheit der Chancen ist aber der wesentlichste Grund dafür, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter und immer schneller öffnen wird, wenn keine systematische Veränderung hin zu einer wirklichen WSGD erreicht wird.

Warum werden aber auch im demokratischen Staat die Reichen immer reicher und die Ärmeren fühlen sich immer ärmer? Nirgendwo in der Eurozone sind die Vermögen ungleicher verteilt als in Deutschland. (Quelle: DIW Berlin)

Die Konzentration des Reichtums auf immer weniger Menschen ist eine zwangsläufige Folge, solange dem Einzelnen das Recht eingeräumt bleibt, über den eigenen Tod hinaus sein gesamtes erworbenes Vermögen, bestehend aus persönlichem Erfolg und den darin enthaltenen Erträgen aus der Nutzung der Ressourcen der Allgemeinheit, auf andere Personen zu übertragen. Der Bärenanteil dieser Vermögen, die nicht in Wirtschaftsunternehmen stecken, wird über Banken, Investmenthäuser und Versicherungen dem Staat zur Finanzierung der Staatsverschuldung zur Verfügung gestellt. Die Allgemeinheit trägt über diesen Weg durch Zinszahlungen zum weiteren Anstieg der Vermögen der reichen Erben bei. Über diesen Weg findet eine weitere Verteilung der Vermögen von „unten nach oben“ statt, ohne das die Erben hierfür einen Finger krümmen müssen. Damit wird gleichzeitig, ähnlich wie in einer Monarchie, auch die Macht an die Nachkommen übertragen, ohne das damit auch besondere Pflichten mit übertragen werden. Am weitaus stärksten begünstigt werden dabei stets die Nachkommen der eigenen Familien, auch wenn diese nichts zum Entstehen der Erbmasse beigetragen haben. Das führt bei den heute geringen Kinderzahlen zu einer weiteren Beschleunigung des Reichtums und der Macht auf immer weniger Menschen in immer kürzerer Zeit. Die Folge wird sein, dass durch die Unzufriedenheit der Massen, nach einer ungewöhnlich langen Periode des Friedens in den Demokratien Europas nach dem 2. Weltkrieg, in absehbarer Zeit wieder mit Krieg und Elend gerechnet werden muss. Eine Wende ist hier unbedingt erforderlich, um dies zu verhindern. Die Menschen spüren durch das Erstarken der Parteien am rechten und linken Rand bereits deutlich, dass hier etwas zu entgleiten droht. Ich bin mir sehr sicher, dass es kein unüberwindbares Problem sein wird, hier die nötigen Veränderungen zu bewirken, wenn dies in einer Verfassung, die durch eine große Mehrheit des Volkes gewählt wurde, konkret gefordert wird.

Das Reichtum kein nachhaltiges Glück und Zufriedenheit erzeugen kann ist eine Binsenweisheit, die an Aktualität gerade in den letzten Jahren immer deutlicher geworden ist. Inzwischen spüren zunehmend auch die Superreichen und Reichen, dass es nicht der Sinn des Lebens sein kann, immer mehr Vermögen anzuhäufen, um es dann an Personen zu vererben, die zu deren Entstehen nichts beigetragen haben. Sie erkennen auch, dass Reichtum einem eigenen erfüllten Leben oft mehr im Wege steht, als die Phasen des Glücks und der Zufriedenheit zu verlängern. Wegen der stetigen Angst bedroht zu sein, fühlen sie sich genötigt, ihre goldenen Gefängnisse zu bauen und sich mit eigenen Sicherheitskräften zu umgeben. Damit müssen sie dann die Lebensqualität eines ungestörten Privatlebens fast völlig aufgeben. Hinzu kommt sicher auch, dass bei reichen nachdenklichen Menschen der stete Zweifel vorhanden ist, ob sie nicht, obwohl sie nach Recht und Gesetz gehandelt haben, ungerechtfertigt in die Taschen anderer oder der Allgemeinheit gegriffen haben. Das gilt zumindest für alle diejenigen, die moralische Ansprüche an sich selbst stellen und denen die Achtung vor sich selbst noch wichtig ist. Bei weitem ist nicht nur Bill Gates für diese Erkenntnisse ein gutes Beispiel.

Zudem erzeugt Reichtum den „sogenannten Neid“ der Ärmeren und eine damit einhergehende Verachtung der Reichen. Wobei der sogenannte Neid bei genauerer Betrachtung eine Schutzbehauptung der Reichen ist. Denn dieser „Neid“ ist viel mehr das weitgehend berechtigt gefühlte Unbehagen der Ärmeren, dass diese Menschen den Reichtum nicht durch eigene Leistung und eigenen Erfolg verdient haben. Denn in den allermeisten Fällen entstand der größte Anteil ihrer Vermögen durch Erbschaften und durch die Nutzung von Ressourcen der Allgemeinheit.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Reichtum nicht glücklich oder zufrieden macht, ist die Tatsache, dass das Suizidrisiko unter den Reichen etwa 3-mal so groß ist wie unter den Ärmeren.
(Quelle: Short News 17.02.2001)